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        schneller verfügbar. Neben einer prä-  thoden,    N-Sensor,     Energie-  im landwirtschaftlichen Betrieb findet
        ziseren Ausbringung wird also auch die  management im Stall               das Smartphone bereits intensiven Ein-
        Planung  und  Ansteuerung  immer  ein-                                    satz. Mit Hilfe von Apps können wich-
        facher. Vermehrt nachgefragt wird nun  S. Pauli: Welche Rolle spielt das Thema  tige  Daten  und  Maßnahmen  im  Stall
        auch  ein  N-Sensor  im  Güllefass,  der  Digitalisierung bei der Ausbildung (z.B.  sofort  erfasst  und  dokumentiert  wer-
        den Stickstoff-Versorgungszustand des  Moodle)                            den. Ob „Stallalarm“ oder Störungen in
        Bestandes  erfasst.  Der  Sensor  errech-  Prof. H. Bernhardt: Alle Studenten sind  Trocknungsanlagen und weiterer Peri-
        net  die  benötigte  Düngermenge  und  mit Tablet oder Notebook unterwegs,  pherie,  der  Landwirt  wird  über  sein
        gibt diese an den Streuer weiter. Durch  überall wird WLAN gefordert. Auch On-  Handy  benachrichtigt.  Das  Smart-
        die teilflächenspezifische Ausbringung  linevorlesungen  sind  durchaus  vor-  phone ist zu einem der wichtigsten Be-
        von Gülle ergibt sich für den Landwirt  stellbar,   allerdings   wird   der  gleiter geworden.
        ein Spielraum mehr Stickstoff zur Ver-  persönliche  Kontakt  zu  den  Profes-  S. Pauli: Welche Grenzen bietet die Di-
        fügung zu haben. Diesen nutzt er na-  soren und ihren Mitarbeitern trotzdem  gitalisierung für die Landwirtschaft?
        türlich,  um  den  besten  Ertrag  zu  von den Studenten gewünscht. Wir bie-  Prof.  H.  Bernhardt:  Viele  Landwirte
        erzielen.  Daher  wird  diese  digitale  ten hierzu auch immer wieder Abstim-  meinen, dass durch die Digitalisierung
        Maßnahme immer mehr nachgefragt.     mungstools in der Vorlesung an und es  langfristig  ein  Mehrerlös  geschaffen
                                             gibt die Möglichkeit Fragen online zu  werden  kann.  Meines  Erachtens  wird
        S. Pauli: Welche Forschungsfelder der  stellen. Zusätzlich zu den mündlichen  dies nicht so sein, weil die Digitalisie-
        Studienfakultät Agrar- und Gartenbau  Fragen  kommen  hier  im  Nachgang  rung in der Industrie bereits Standard
        stehen im Zeichen der Digitalisierung?  oder während der Vorlesung viele Fra-  ist. Die Daten des Betriebes werden mit
        Prof. H. Bernhardt: Neben der Agrarsys-  gen,  die  sonst  nicht  gestellt  werden  den Verarbeitern geteilt. Daher sollte
        temtechnik sind hier die Lehrstühle für  würden.                          sich  der  Landwirt  genau  überlegen,
        Tier-  und  Pflanzenzucht  sowie  die  Pauli: Digitalisierung  ist  in  fast  allen  wer die Partner sind, mit denen er lang-
        Pflanzenernährung  und  der  Lehrstuhl  Bereichen  der  Gesellschaft  angekom-  fristig zusammenarbeiten will.
        für ökologischen Landbau zu nennen.  men und es werden mit ihr viele Chan-  Außerdem stellt sich die Frage, ob die
        Die Agrarsystemtechnik bearbeitet di-                                     Digitalisierung  nicht  auch  Auswir-
        gitale Forschungsfelder in der Tierhal-                                   kungen auf die Betriebsstrukturen oder
        tung:        Wir         entwickeln                                       auf  den  Arbeitsplatz  "Landwirt"  hat.
        Energiemanagementsysteme  im  Kuh-                                        Auch das Betriebsklima kann sich mit
        stall. Wir möchten Tierwohl erfassbar                                     zunehmender  Digitalisierung  ändern.
        machen: Lautäußerungen, Verhaltens-                                       Wenn immer mehr Arbeitsschritte au-
        analyse,  Pulsfrequenz,  Bewegungs-                                       tomatisiert werden, müssen bestimmte
        muster. Auch mit der Automatisierung                                      Prozesse  vom  Menschen  nur  noch
        von Fütterungssystemen für Milchvieh                                      überwacht, aber nicht mehr selbst aus-
        beschäftigen  wir  uns.  So  arbeiten  wir                                geführt  werden.  Da  besteht  natürlich
        z.B.: an der Individualisierung der Füt-  cen   und   Herausforderungen   auch die Gefahr der Monotonie.
        terungszeiten, um die Tiere zum auto-  verbunden.  Gibt  es  noch  einen  Weg  Letztendlich darf nicht vergessen wer-
        matischen Melkstand zu bewegen.      vorbei an der Digitalisierung?       den, dass wir es in der Landwirtschaft
                                             Prof. H. Bernhardt: Nein, ganz klar das  auch bei aller Technologisierung noch
        S.  Pauli:  Welche  Ergebnisse  davon  geht nicht. Wir haben bereits eine digi-  immer  mit  biologischen  Systemen  –
        konnten  bereits  in  die  Praxis  transfe-  talisierte  Gesellschaft  und  die  Land-  mit  Tieren,  Pflanzen,  Boden-  und  kli-
        riert werden?                        wirtschaft   ist   ein   Abbild   der  matischen  Bedingungen  –  zu  tun  ha-
        Prof.  H.  Bernhardt:  Alle  Forschungs-  Gesellschaft.  Smartphones  sind  Be-  ben.
        felder  sind  praxisreif:  Züchtungsme-  standteil  des  täglichen  Lebens.  Auch

           Interviewpartner

                 Prof Dr. agr. habil. Heinz Bernhardt


               Lehrstuhl für Agrarsystemtechnik - Technische Universität München


           Stationen:
           seit 9/2015  Lehraufträge BOKU Wien/Österreich, TUAT Tokyo/Japan und
           Hokkaido University Japan
           10/2013 - 7/2017   Studiendekan für Agrar- und Gartenbau-wissenschaften
           der Technische Universität München                                                                        Bild: Prof. Bernhardt
           seit 10/2008 W3-Professor für Agrarsystemtechnik Technische Universität
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